Plenarwoche: Hessen braucht ein Neustartprogramm

27.02.2022

Zweite Plenarwoche im Hessischen Landtag im Februar 2022

  • Regierungserklärung zu Corona: Freie Demokraten fordern Aufbauplan für Weg aus der Krise
  • Ukraine: NATO ist unsere Lebensversicherung
  • Förderung von Sand und Kies muss auch im Bannwald möglich sein
  • Wolfspopulation wächst weiter: Hessen braucht aktives Bestandsmanagement

WIESBADEN – Der Vorsitzende der Fraktion der Freien Demokraten im Hessischen Landtag, René ROCK, hat in der zweiten Plenarwoche im Februar 2022 erneut die zögerliche Politik der schwarz-grünen Landesregierung scharf kritisiert. Der von Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) in einer Regierungserklärung dargelegte aktuelle Umgang mit der umfassenden Wirtschafts- und Gesellschaftskrise als Folge der Corona-Bekämpfung sei dafür nur eines von vielen Beispielen: „Der Ministerpräsident und seine Landesregierung fahren weiterhin nur auf Sicht. Ich sehe keine Rezepte, kein umfassendes Neustartprogramm für Wirtschaft und Gesellschaft, keinen Aufbauplan für den nächsten Herbst, keine Vision einer guten Zukunft, ich sehe keine gute Regierung dieses Landes“, konstatierte Rock.

Rock forderte eine Corona-Politik, die auf drei Säulen basiert, bestehend aus einer Wiederherstellung der Grund- und Freiheitsrechte, einem wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Neustart sowie einer Stärkung der Krankenhäuser und des Gesundheitswesens. „Die massiven Grundrechtseinschränkungen sind nicht mehr zu rechtfertigen“, erklärte Rock und verwies auf sinkende Infektionszahlen sowie die nicht vorhandene Überlastung des Gesundheitssystems. „Statt klagend auf die Bundesregierung und das auslaufende Infektionsschutzgesetz zu verweisen, erwarte ich einen umfassenden Aufbauplan, ein Neustartprogramm für Wirtschaft, Gesellschaft und Gesundheitswesen und vor allem auch einen umfassenden Plan für die nächste Infektionswelle im Herbst. Nichts tun und auf den Herbst warten reicht nicht.“

Rock betonte: „Es liegen gigantische Aufgaben vor uns, es täte der Landesregierung und damit Hessen gut, diese professionell anzugehen. Der erste Pfeiler ist die Wiederherstellung der Freiheitsrechte ohne Wenn und Aber. Nicht nur für den Einzelnen im privaten Umfeld, sondern auch für die Wirtschaft und alle Gesellschaftsbereiche. Die zweite Säule betrifft den Wiederaufbau. Nach zwei Jahren Pandemiepolitik sind Wirtschaft und Gesellschaft stark belastet. Längst hat es Strukturbrüche gegeben, zum Beispiel im Messebereich, in der Büro- und Immobilienwirtschaft, in Hotelgewerbe sowie in der Event- und Unterhaltungsbranche. Auch zahlreiche freien Berufe sind hart getroffen, die Zahl der Privatinsolvenzen steigt. Wir müssen raus aus dem Katastrophenmodus. Das gilt auch für den Sozialbereich, die Schäden müssen dringend erfasst werden. Eine Frage ist zum Beispiel, ob die zur Verfügung stehenden Plätze in der Kinder- und Jugendpsychiatrie ausreichen, denn Kinder und Jugendliche gehören zu den Hauptleidtragenden der Pandemie. Es gilt für Kultur, für den Breitensport und so vieles mehr.“

Rock mahnte an, neben der notwendigen Aufbauarbeit auch eine aktive Strategie zur Bekämpfung des Corona-Virus für die kommenden Jahre zu entwickeln. „Auch hier ist bis jetzt Fehlanzeige. Die dritte Säule muss natürlich eine neue Gesundheitspolitik sein, mit einer umfassenden, langfristig angelegten Teststrategie in allen Sektoren, einer Impfstrategie mit Impfzentren, niedrigschwelligen Angeboten und einer zuverlässigen Information über Impfstoffe und Boosterimpfungen, einer belastungsfähigen Beschaffungsstrategie von neuen Impfstoffen über Masken bis zu neuen Medikamenten und dringend die Digitalisierung der Gesundheitsämter, damit diese endlich den Notfallmodus verlassen können. Die Stärkung der Krankenhäuser in Sachen Personal, Finanzierung und Auslastungspolitik ist ebenfalls dringend geboten. Ausreichend Investitionsmittel sind die Grundlage für die Zukunftsfähigkeit der hessischen Krankenhäuser“

In der Nacht vor dem dritten Plenartag, am 24. Februar 2022, erfolgte der Überfall der Russischen Föderation auf Befehl ihres Machthabers Putin auf die Ukraine. Der Landtag verkürzte die Sitzung um einen halben Tag. Der dritte Plenartag begann mit einer Erklärung des Ministerpräsidenten zum Angriff auf die Ukraine. Er endete mit einer Ansprache des Generalkonsuls der Ukraine, S.E. Kostiuk VadymIn.  Rock erklärte angesichts dieses erschütternden Angriffskriegs mitten in Europa: „Mit dem heutigen Tag ist der Krieg, die schlimmste Geißel der Menschheit, zurück auf unserem Kontinent. Es ist ein Krieg, der vor allem die Ukraine, aber letztlich alle Menschen in Europa bedroht. Wir fühlen mit den über 40 Millionen Menschen in der Ukraine nicht nur solidarisch, wir wissen, dass sich unsere Politik ändern muss. Der Angriffskrieg Russlands ist eine Wende in der jüngeren Geschichte Europas, denn hier wird einem Land und seinen Bürgern das Selbstbestimmungsrecht abgesprochen. Putin verletzt die Charta der Vereinten Nationen und das Selbstbestimmungsrecht der Völker, er zerstört die europäische Friedensordnung. Das wurde sukzessive aufgebaut, zuletzt durch die ungeheuerliche Besitznahme der ukrainischen Krim. Wir müssen erkennen, dass unsere moderate Politik gegenüber Russland, unsere Diplomatie, unsere wirtschaftlichen Verbindungen gescheitert sind.“

Der Westen müsse nun zusammenstehen und „mit aller Härte“ vorgehen, sagte Rock, der sich skeptisch äußerte, ob Sanktionen ihr Ziel erreichen. „Was wir jetzt benötigen, ist nicht nur eine werteorientierte Außenpolitik, sondern eine Solidarität mit den unmittelbar angrenzenden EU-Staaten in Polen und den baltischen Staaten. Wir dürfen nicht vergessen, dass die NATO unsere Lebensversicherung gegen solche Aggressionen ist. Wir benötigen nicht nur eine gemeinsame EU-Sicherheitspolitik, wir müssen auch hier in Deutschland unser Verteidigung neue Bedeutung beimessen und die finanziellen Mittel dafür bereitstellen.“

Der Hessische Landtag nahm in zweiter Lesung den Gesetzentwurf der schwarz-grünen Koalition zur Stärkung des Schutzes des Bannwaldes in Hessen an. Kern der neuen Regelung ist, dass künftiges Abholzen im Bannwald für nicht unbedingt notwendigen Kiesabbau verboten wird. Rock warf CDU und Grünen vor, naiv und ideologisch zu handeln: „Die Unternehmen, die in Hessen Sand und Kies abbauen, machen das, weil Sand und Kies hier, vor allem im Rhein-Main-Gebiet, gebraucht werden. Nicht unbedingt notwendigen Kiesabbau gibt es nicht. Explodierenden Mieten kann man nur begegnen, indem man baut. Und für den Wohnungsbau braucht es nun einmal Rohstoffe. Was könnte also besseres passieren, als dass wir Rohstoffe selbst vor Ort haben und sie da abbauen, wo sie auch gebraucht werden? Die Alternative ist, die entsprechenden Rohstoffe zu importieren, was wiederum mit höheren Kosten verbunden ist. Die Förderung von Sand und Kies muss auch im Bannwald weiterhin möglich sein.“

In ihrem Setzpunkt widmeten sich die Freien Demokraten mit einem Antrag ihrer Forderung, angesichts der wachsenden Wolfspopulation in Hessen ein aktives Bestandsmanagement einzuführen, statt die Rückkehr des Wolfes ideologisch zu verklären. „Es genügt nicht, aus der Sicht unserer großstädtisch geprägten Politikhaltung, sich einfach über die Rückkehr des Wolfs nach Hessen zu freuen, wer auf dem Land lebt, sich dort in der Natur bewegt oder als Tierhalter von Nutztierbeständen lebt, hat eine ganz andere Sicht“, unterstrich Rock. „Wir Freien Demokraten begrüßen es daher, dass die Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP sich im Koalitionsvertrag ihren Willen bekundet hat, den Ländern ein regional differenziertes, europarechtskonformes Bestandsmanagement zu ermöglichen. Auch hier sehe ich keinerlei Planung seitens der hessischen Landesregierung. Es geht nicht darum, Menschen in betroffenen Regionen zu beruhigen oder Verhaltenstipps zu geben. Es geht nicht darum, die Weidetierhaltung mit hohen Zäunen zu schützen. Es geht darum, dass keine Nutztiere gerissen werden, dass Wölfe nicht lernen, sich so bequem zu ernähren. Wir fordern Schwarz-Grün eindringlich auf, den Bestand der Wölfe und ihre Populationen zu erfassen und eine akzeptable Bestandsgröße zu definieren, die Weidetierhaltung ermöglicht und Gefährdungen für Menschen vermeidet.  Bestandsmanagement hat mit einer unkontrollierten Freigabe nichts zu tun. Der Wolf darf sich gerne in Natur- und besonderen Schutzgebieten weiterentwickeln. Er darf aber nicht Weidetiere reißen oder Menschen in der Natur Risiken aussetzen.“

Mehr Informationen und Videos zur Plenarwoche finden Sie unter https://fdp-fraktion-hessen.de/plenarberichte/