Plenarwoche: „Hessen braucht Tatkraft statt Problembeschreibungen“
Plenarwoche im Hessischen Landtag im Mai 2022
- Freie Demokraten plädieren für Stabsstelle zur Einführung der E-Akte
- Schwerpunktstaatsanwaltschaft soll Lebensmittelbetriebe besser überwachen
- Technologieoffene Energiepolitik muss der Zukunft Hessens dienen
- Vergütung der Ausbildung macht Erzieherberuf attraktiver
- Landeskoordinator für Schutzsuchende aus der Ukraine nötig
WIESBADEN – „Ich kann aus all den Problembeschreibungen und vielen Debattenbeiträgen der Koalitionsfraktion aus CDU und Grünen nach wie vor keinen Handlungsauftrag für eine gute Zukunft ableiten“, kritisierte der Vorsitzende der Fraktion der Freien Demokraten im Hessischen Landtag, René ROCK, in seiner Bilanz der Sitzungswoche im Mai 2022. „Hessen braucht aber umgehend Tatkraft und frische Lösungen statt Stagnation und Resignation. Es wird Zeit für einen neuen Fortschritt in unserem Bundesland.“
Nach Angaben des hessischen Justizministeriums verzögert sich die Einführung der e-Akte in der Justiz um insgesamt sechs Jahre. Ein schwerer Rückschlag bei der Digitalisierung der Justiz, den die Freien Demokraten zum zentralen Thema der Sitzungswoche machten. „Erneut sind wir meilenweit entfernt von der Umsetzung eines wichtigen Projekts, deshalb wird es höchste Zeit, die Einführung der E-Akte endlich professionell anzugehen und auf höchster Ebene zu steuern. Es braucht jetzt eine Stabsstelle im Justizministerium – und einen ehrlichen, aufgeschlossenen Dialog mit der juristischen Praxis“, forderte Rock. „Die Einführung der E-Akte ist inhaltlich enorm wichtig, denn sie steht für kürzere Verfahrenslaufzeiten, eine leistungsfähige und moderne Justiz sowie die Attraktivität des öffentlichen Dienstes. Leider wirkt die flächendeckende Einführung nach vielen Jahren der Verantwortung von Ministerin Eva Kühne-Hörmann wie eine Fata Morgana“, beschrieb Rock die Situation. „Das eine ist die mangelhafte Kostenkalkulation mit einem Anstieg von ursprünglich 37 Millionen Euro auf aktuell 235 Millionen Euro. Das andere ist, dass die Ministerin nicht mal eine Projektplanung mit Fakten zu Kosten, Zeit und inhaltlichen Meilensteinen vorgelegt hat. 2014 war Hessens Justiz unter den Freien Demokraten im Spitzenfeld der Bundesländer und Leuchtturm in Themenfeldern wie Digitalisierung und Modernität. Acht Jahre später ist Hessen als Justizstandort im Ländervergleich ganz unten angelangt und die hessische Justiz als Arbeitgeberin kaum noch attraktiv“, kritisierte Rock. Die E-Akte sei der Tiefpunkt des Versagens, doch auch die Personalnot, der Justizskandal um den unter Korruptionsverdacht stehenden Oberstaatsanwalt Alexander B. und die mangelnde Digitalisierung zeigten die Schwäche der Ministerin. Die nur unzureichend vorangetriebene Digitalisierung führe dazu, dass Schriftsätze von Anwälten zwar digital bei den Gerichten eingereicht, dann aber dort ausgedruckt werden. Allein das Amtsgericht Frankfurt verbrauche jeden Monat acht Paletten Papier. „So mutet kein moderner und leistungsfähiger Rechtsstaat an, so gewinnt man keine Nachwuchskräfte für die Justiz, das ist Hessens unwürdig“, konstatierte Rock.
Im Lebensmittelskandal um keimbelastete Gurken in Hessen zweifelten die Freien Demokraten erneut, dass Verbraucherschutzministerin Priska Hinz von den Grünen die notwendige Ernsthaftigkeit als Fachaufsicht über die Lebensmittelsicherheit in Hessen zeigt. Hinz hatte im zuständigen Fachausschuss jegliche Verantwortung von sich gewiesen und verneint, dass es sich bei den Gernsheimer Gammelgurken um einen neuerlichen Lebensmittelskandal handele. „Es macht mich sprachlos, wenn die oberste Verbraucherschützerin des Landes es nicht für einen Skandal hält, wenn Menschen in Hessen an verunreinigten Lebensmitteln erkranken und sterben“, kritisierte Rock. In ihrer dazu angesetzten Aktuellen Stunde forderten die Freien Demokraten erneut, mehr Zuständigkeiten für die Lebensmittelüberwachung auf die Landesebene zu holen. So soll die Verantwortlichkeit für Hygienekontrollen und Probeentnahmen für Hochrisiko- und Großhandelsbetriebe sowie Warenzentrallager an die Regierungspräsidien übergeben werden. „Es mangelt ja nicht nur an Pflichtkontrollen, sondern offenbar auch an Wissen darüber, wie mit Hochrisikobetrieben umzugehen ist“, bemerkte Rock. „Innerhalb eines Regierungspräsidiums muss ein Expertenteam aus Lebensmittelchemikern, Fachjuristen und Veterinären angesiedelt werden. Darüber hinaus braucht Hessen eine schnelle und konsequente Strafverfolgung in diesem Bereich, deshalb fordern wir, eine Schwerpunktstaatsanwaltschaft für den Bereich des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches einzuführen. Es ist die Pflicht, der hessischen Landesregierung und ihrer Verwaltungsbehörden, diese schrecklichen Missstände schnellstmöglich abzustellen“, mahnte Rock.
Gleich zweimal widmete sich der Landtag Initiativen der SPD zu Klimaschutz und Energiepolitik. Rock erklärte dazu mit Blick auf die Politik der schwarz-grünen Landesregierung: „Hessen ist das Flächenland mit der größten Importabhängigkeit, bei Strom und Energie insgesamt. Es werden vor diesem Hintergrund völlig falsche Weichen gestellt. Hessen ist ungeeignet für Windkraftanlagen, da 90 Prozent der grundsätzlich geeigneten Flächen im Wald liegen. Deshalb ist die Genehmigung schwierig, und 75 Prozent der Vorhaben werden beklagt. Diese Energiewende im Blindflug führt zu nichts. Wir brauchen einen Einstieg in eine innovative, technologieoffene Energiepolitik und die Wasserstoffwirtschaft, nur dies führt zu einem Klimaschutz, der gleichzeitig der Entwicklung und Zukunft Hessens dient. Eine einseitige Fixierung auf Windkraft ist der völlig falsche Weg.“
Rock, der auch energiepolitischer Sprecher der Fraktion ist, kritisierte zudem den grünen Energieminister und die grüne Umweltministerin angesichts des Mangels an aussagekräftigen Zahlen, zum Beispiel zur Reduktion der CO₂-Emissionen, an denen der Erfolg gemessen werde, und zur Zahl der Arbeitsplätze, die durch die Energiewende entstehen. „Der Landesregierung ist es offenbar egal, wie viel CO₂ effektiv eingespart wird und wie viel Wertschöpfung mit der Energiewende verbunden ist“, betonte Rock. „Dabei wäre doch auch im Energiebereich eine faktenbasierte Politik wichtig, die Kosten und Effektivität in den Fokus nimmt. Aber sogar in der selbst gewählten Paradedisziplin sind die Grünen eine Pannen-Truppe“, stellt Rock fest. „Im ersten Quartal 2022 ging ein einziges Windrad in Hessen ans Netz. 541 Windenergieanlagen, die heute in Betrieb sind, befinden sich nicht in einem Vorranggebiet und müssen nach Auslaufen der Betriebsgenehmigung zurückgebaut werden. Wenn in Hessen vier Anlagen im Jahr ans Netz gehen, wie schon 2019, aber mehr Anlagen vom Netz genommen und zurückgebaut werden müssen, dann kann die einseitige Fixierung auf den Windkraftausbau mit nur 3 Prozent des Endenergieverbrauchs niemals der richtige Weg in eine klimaneutrale Welt sein. Zumal es von Naturschützern berechtigten Protest gibt. Hier geht es um das Gemeinwohl und es kann nicht sein, dass Grüne und CDU Bürgerinnen und Bürger kritisieren, weil sie von Grundrechten Gebrauch machen und behördliche Genehmigungen von Gerichten überprüfen lassen. Es ist nicht die Schuld der Bürgerinnen und Bürger, dass die Landesregierung die falsche Energiepolitik macht.“
Als Sprecher für frühkindliche Bildung der Freien Demokraten im Hessischen Landtag bekräftigte Rock anlässlich der Plenardebatte zum Fachkräftemangel in hessischen Kindertagesstätten seine Forderung nach einer flächendeckenden Vergütung der Erzieherausbildung: „Der Mangel an Erzieherinnen und Erziehern ist kein neues Phänomen, hat sich aber zuletzt noch so stark verschärft, dass vielerorts Öffnungszeiten eingeschränkt werden müssen. Das ist weder der frühkindlichen Bildungsarbeit dienlich, noch im Sinne berufstätiger Eltern, die auf verlässliche Betreuungszeiten angewiesen sind. Wer mehr Erzieherinnen und Erzieher gewinnen will, muss den Beruf von Anfang an attraktiver machen. Dabei ist eine Vergütung für alle Auszubildenden der wesentliche Baustein.“
Die schwarz-grüne Landesregierung verkündete medienwirksam, die Zahl der praxisintegrierten vergüteten Ausbildungsplätze von 400 auf 600 pro Jahr erhöhen. „Wir brauchen in den nächsten fünf Jahren 20.000 – 25.000 neue Erzieherinnen und Erzieher, wie soll denn das Früchte tragen? In anderen Berufen bekommen doch auch sämtliche Auszubildenden eine Vergütung. Warum also soll das nicht auch für jene Menschen möglich sein, die wesentlich dazu beitragen, den Grundstein für die Bildung unserer Kinder zu legen?“, fragte Rock.
„Hessen benötigt dringend einen Landeskoordinator für die vor den russischen Angriffen geflüchteten Menschen aus der Ukrainer“, forderte Rock anlässlich der von der CDU eingebrachten Antrags auf einen Aktionsplan. „Wir brauchen jemanden, der gemeinsam mit den Kommunen die Versorgung der bei uns Schutzsuchenden organisiert und übergreifend auf Bundes- und europäischer Ebene koordiniert. Die hessischen Kommunen stoßen an ihre Kapazitätsgrenzen. Gerade bei der absolut notwendigen verpflichtenden Registrierung aller in Hessen eintreffenden Geflüchteten, der Unterbringung, Verpflegung und Betreuung muss die Landesregierung dafür Sorge tragen, dass alles bedarfsgerecht gesteuert und verteilt wird. Vom Wohnraum und Sozialleistungen über Sprach- und Schulunterricht bis zur Teilnahme am wirtschaftlichen und sozialen Leben in Hessen, brauchen wir die Übernahme von Verantwortung. Die Menschen im Land haben privat schon längst vorgelebt, wie es funktioniert. Es ist mir rätselhaft, weshalb die Landesregierung aus der Erfahrung mit früheren Flüchtlingsströmen absolut nichts gelernt hat.“
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