Plenarwoche: Versäumnisse, Versagen, Existenzvernichtung
- Ministerpräsident Bouffier hat tief enttäuscht
- Testen, impfen, öffnen!
- Großer Frankfurter Bogen kommt nur im Schneckentempo voran
- Wissenschaftsfreiheit an hessischen Hochschulen muss gestärkt werden
- Datenschutz ist nicht der Bremser im Kampf gegen das Corona-Virus
WIESBADEN – Tief enttäuscht haben sich die Freien Demokraten im Hessischen Landtag in der Plenarwoche vom März 2021 über die aktuelle Regierungspolitik in allen Aspekten des Kampfes gegen Covid-19 gezeigt. Von der Schulpolitik und des weiterhin geltenden Lockdowns für viele Wirtschaftsbereiche bis zum Impfchaos und der verwirrenden Schnelltestpolitik, die Wahrnehmung von CDU und Grünen richtet sich auf die Krankheit, nicht auf die Gesundung von Menschen und Gesellschaft. „Die Perspektivlosigkeit der schwarz-grünen Landesregierung setzt sich in Regierungserklärung und den neuen Beschlüssen des Corona-Kabinetts fort. Sie lähmt Hessen und gefährdet das Wohlergehen seiner Bürgerinnen und Bürger, umfassend, überall und langfristig“, konstatierte der Fraktionsvorsitzende René ROCK.
Unter dem Titel „Vorsicht – Vertrauen – Verantwortung“ gab der Hessische Ministerpräsident Volker Bouffier im Hessischen Landtag eine Regierungserklärung über das weitere Vorgehen der schwarz-grünen Koalition in der Corona-Pandemie ab. „Wir haben Perspektiven erwartet, neue Ziele, konkrete Maßnahmen, wir wollten hören, was die Regierung in den nächsten Wochen vorhat“, kommentierte Rock die Ausführungen des Ministerpräsidenten. Nach einem Jahr hätten die Menschen in Hessen mehr verdient als einen Blick auf die schweren Herausforderungen der Pandemiebekämpfung, befand Rock: „Wir müssen endlich vor die Welle kommen, statt immer wieder von der Entwicklung überrannt zu werden. Wir brauchen nachvollziehbare Regeln statt neuer Vorschriften alle drei Wochen, die nicht mal mehr die Fachleute verstehen.“ Das Land müsse vorausschauend handeln und sich auf absehbare Herausforderungen vorbereiten. Rock forderte konkrete Schritte zur Verbesserung der Situation auf allen Ebenen: So solle die Landesregierung die Schulen umfassend digitalisieren, den öffentlichen Gesundheitsdienst besser ausstatten und unterstützen, das Impfen auch durch Hausärzte schneller vorantreiben, Handel und Industrie Perspektiven der Öffnung und Wiederbelebung geben und durch eine umfassende Teststrategie für Schülerinnen und Schüler deren Recht auf Bildung gewährleisten.
„Nicht der Staat ist der bessere Wissenschaftler, der bessere Unternehmer oder der bessere Logistiker“, unterstrich Rock und verwies auf das beeindruckende Engagement und die Innovationen aus der Privatwirtschaft. Rock griff den Titel der Regierungserklärung und die darin vorkommenden drei V nochmal auf. „Tatsächlich sind es drei andere V, die das Vorgehen der Landesregierung zur Bewältigung der Corona-Pandemie treffend beschreiben: Versäumnisse, Versagen und Vernichten“, bilanzierte er mit Verweis auf Versäumnisse beim Testen, ein Versagen beim Schutz von Alten- und Pflegeheimen und der Impfstrategie sowie ein Vernichten von Existenzen.
Rock ergänzte: „Am dritten Plenartag tagte dann das Corona-Kabinett der Hessischen Landesregierung und die einzige Botschaft war erneut: ‚Wir wissen es nicht. Vorsichtshalber nehmen wir bei den Schulklassen ab Jahrgang 7 die Aussicht auf Präsenzunterricht gleich wieder zurück. Und dann sehen wir nächste Woche, was wir beschließen‘. Das geht so nicht! Was ist denn das für eine Hilf- und Konzeptlosigkeit.“ Rock fügte hinzu: „Wir müssen uns dringend, sehr dringend darum kümmern, dass uns die Wirtschaft nicht komplett zusammenbricht, dass hessische Arbeitsplätze erhalten werden und eine Wirtschaftskrise abgewendet wird. Das gelingt nur, wenn die zugesagten Wirtschaftshilfen auch endlich kommen – die November-Hilfe ist bis jetzt Mitte März noch nicht vollständig ausgezahlt – und wenn Einzelhandel, Gastronomie und viele kleine Unternehmen im Dienstleistungssektor Öffnungsperspektiven aufgezeigt bekommen.“
Die Versäumnisse der Landesregierung gaben mehrfach Anlass zur Debatte. Die Freien Demokraten machten die Versäumnisse der schwarz-grünen Corona-Politik zusätzlich zu ihrem Setzpunkt. Just an diesem dritten Sitzungstag erreichte Hessen eine landesweite Inzidenz von 100. „Dass heute erneut das Corona-Kabinett zusammenkommen musste, zeigte, wie ernst die Lage ist – und dass die von der Landesregierung ergriffenen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie einfach nicht gewirkt haben“, stellte Rock fest. „Doch wir erleben mit großem Staunen eine reflexhafte Wiederholung ein Nachdenken über Lockdown-Regeln. „Lassen Sie endlich die Hausärzte impfen und sorgen Sie für Impfstoff“, organisieren Sie umfassende Testmöglichkeiten und –Strategien für alle Lebensbereiche!“, forderte Rock. „Im Übrigen hören wir nichts davon, wo die Infektionsherde sind und wie es zu diesem Anstieg konkret kommt. In der Gastronomie, in vollen Sporteinrichtungen, in Kunst und Kultur, in den Einkaufszentren kann es nicht sein, denn die sind entweder geschlossen oder dürfen nur sehr eingeschränkt arbeiten!“
Rock empfahl, den Blick nach Tübingen zu richten, wo im Rahmen eines Modellprojekts regelmäßige Tests den Menschen schon viele Freiheiten ermöglichen. „Auch in Hessen sollten wir Schnell- und Selbsttests viel intensiver einsetzen“, forderte er. Wer nachweisen könne, dass er nicht infektiös sei, könne beispielsweise ein Restaurant oder eine Kultureinrichtung besuchen. Auch eine digitale Aufrüstung sei ein richtiger Weg, um Gesundheitsschutz und alltägliches Leben in Einklang zu bringen. Zudem sollten Apps zur Kontaktnachverfolgung und zur Verfügung stehende Daten zur Clusterbildung genutzt werden. Ein weiteres Auf und Ab bei den Lockdown-Regeln wird die Krise eher verschärfen.“
Ein zentrales Thema in der hessischen Landespolitik ist immer wieder die Frage, wie der Staat mit Instrumenten der Wohnungsbaupolitik gegen Wohnungsknappheit und steigende Mieten vorgehen kann. Das Projekt „Großer Frankfurter Bogen“ der schwarz-grünen Landesregierung will teilnehmenden Kommunen, die innerhalb von maximal 30 Minuten mit S- oder Regionalbahn vom Frankfurter Hauptbahnhof aus erreichbar sind, höhere Fördersätzen in bestimmten Wohnungs- und Städtebauprogrammen gewähren. Doch der Wohnraum im Rhein-Main-Gebiet will trotzdem nicht richtig wachsen. „Die schwarz-grüne Landesregierung kriecht im Schneckentempo um den Frankfurter Bogen herum. Das sind das falsche Tempo und der falsche Weg für ein an sich richtiges Ziel“, kommentierte Rock die anhaltende Wohnungsknappheit im Rhein-Main-Gebiet. „Wenn es in der Geschwindigkeit des vergangenen Jahres weitergeht, sind die angestrebten 200.000 Wohnungen erst in 40 Jahren fertig. Der Grund dafür ist offensichtlich: Das Wohnungsbauziel wird überfrachtet mit anderen politischen Zielen wie der Verkehrswende, der Energiewende und dem Kampf gegen den Klimawandel. Auch die Begrenzung auf den Schienenverkehr ist falsch, die Straßenanbindung ist sehr wichtig. Ein weiterer Hemmschuh ist offensichtlich: Private Bauherren bei Bauflächenvergabe werden benachteiligt, private Anbieter von Leistungen wie zum Beispiel Stadtplanung werden aus dem Wettbewerb gedrängt. Damit wird der Markt ausgeschaltet – und das konterkariert sämtliche Anstrengungen, schnell zusätzlichen Wohnraum zu schaffen. Mit dieser staatlichen, politisch motivierten Planung werden Chancen und Perspektiven für modernes Wohnen im Rhein-Main-Gebiet zerstört.“
„Die Freiheit der Wissenschaft, die Freiheit der Forschung an unseren Hochschulen, gehört zu den wichtigsten Grundlagen unseres gesellschaftlichen Selbstverständnisses. Deshalb müssen Universitäten als Orte der Wissenschaft auch einen Raum für den Wettstreit konkurrierender Ideen bieten“, forderte Rock. Aus gegebenem Anlass brachten die Freien Demokraten einen Antrag zur Stärkung der Wissenschaftsfreiheit ein. „Ein freier Austausch ist für Hochschulen unabdingbar. Das schließt die Äußerung von kontroversen Meinungen oder Minderheitspositionen mit ein“, machte Rock deutlich. In den vergangenen Jahren habe sich jedoch der Eindruck verdichtet, dass der Diskurs an Hochschulen zunehmend unter Druck stehe. Laut einer aktuellen Studie äußert ein Drittel der Studentinnen und Studenten ungern offen seine Meinung zu kontroversen Themen. Ein Drittel bis die Hälfte der Studierenden gibt an, keine kontroversen Gesprächspartner an den Hochschulen erlauben zu wollen. „Kontroverse Veranstaltungen wurden in den letzten Jahren immer wieder massiv gestört oder abgesagt“, erinnerte Rock. Die Freien Demokraten fordern daher, dieses Problem umfassend wissenschaftlich untersuchen zu lassen. „Dazu gehört auch, Handlungsoptionen aufzuzeigen, um dieser Entwicklung konstruktiv entgegenzuwirken, und klare Leitlinien für den Umgang mit externen Gruppen und Rednern an Hochschulen zu entwickeln“, unterstrich Rock.
Prof. Dr. Alexander Roßnagel wurde am 10. Dezember 2020 auf Vorschlag der Landesregierung vom Hessischen Landtag einstimmig in das Amt des Hessischen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit gewählt. Am 17. März 2021 verpflichtete ihn der Hessische Landtagspräsident Boris Rhein (CDU) im Hessischen Landtag auf sein Amt. In seiner Antrittsrede betonte Roßnagel, dass der Datenschutz keineswegs ein Bremser im Kampf gegen das Corona-Virus sei. Vorbeugender Datenschutz und die Bewahrung von Bürgerrechten im Rechtsstaat seien eine extrem wichtige Aufgabe. Datenschutz werde aber nicht den Gesundheitsschutz oder die Weiterentwicklung der Gesellschaft ausbremsen. Rock ergänzte: „Es ist gut zu hören, dass die Digitalisierung der Pandemiebekämpfung auch aus der Sicht des Datenschutzes kein Problem ist. Auf der einen Seite führt die Digitalisierung aller Lebensbereiche zu Eingriffen in die informelle Selbstbestimmung, da benötigen wir Schutz und und große Wachsamkeit. Zugleich werden digitale Prozesse wie Impfmanagement oder Kontaktnachverfolgung aber bei gekonntem Einsatz uns auch wieder unsere Grundrechte auf Freiheit wiedergeben. Ich freue mich, dass eine so ausgewiesener Experte ein wachsames Auge auf Hessen werfen wird.“
Mehr Informationen und Videos zur Plenarwoche finden Sie unter fdp-fraktion-hessen.de/plenarberichte