Plenarwoche: „Zukunft gestalten, statt Probleme abarbeiten“

21.07.2023

Plenarwoche im Hessischen Landtag im Juli 2023

  • Regierungserklärung: Moderner Rechtsstaat muss für die Bürger wirken
  • Landesregierung muss im Mordfall Lübke die Verantwortung übernehmen
  • Hessen zum Wirtschaftswachstumsland Nummer eins machen
  • Wolf muss in das hessische Jagdrecht aufgenommen werden
  • Bildung voranbringen, um Aufstieg zu ermöglichen
  • Frühe Bildung muss Priorität haben

WIESBADEN –  Die letzte Plenarwoche vor der parlamentarischen Sommerpause veranlasste den Vorsitzenden der Fraktion der Freien Demokraten im Hessischen Landtag, René ROCK, zu einer nüchternen Bilanz der Regierungsarbeit der Koalition von CDU und Grünen: „Diese Mischung aus kurzfristigem Denken, der passiven Fokussierung auf das Abarbeiten von Problemen und das permanente Selbstlob beunruhigen mich. So können wir nicht die Zukunft Hessens gestalten. Wir benötigen dringend eine Politik, die eine Vorstellung von einem erfolgreichen, weltoffenen, freien und in jeder Hinsicht starken Hessen hat!“

Hessens Justizminister Roman Poseck (CDU) gab zum Beginn der Sitzungswoche im Landtag eine Regierungserklärung mit dem Titel «Pakt für den Rechtsstaat“ zur Stärkung der Justiz mit Investitionen in verschiedene Bereiche ab. Die Freien Demokraten stellten dem hessischen Justizministerium nach neun Jahren schwarz-grüner Landesregierung ein schlechtes Zeugnis aus: „Neun Jahre Schwarz-Grün haben die hessische Justiz in die Abstiegszone geführt“, erklärte Rock und widersprach deutlich der erfolgsbetonten Darstellung des Ministers. Der seit gut einem Jahr amtierende Minister habe von seiner Amtsvorgängerin ein Trümmerfeld übernommen, das es nun zu beseitigen gelte. „Wir müssen einen modernen Rechtsstaat schaffen, der für die Bürgerinnen und Bürger wirkt, und nicht nur für die Bediensteten. Höhere Gehälter und Stellenaufbau reichen nicht. Der Rechtsstaat muss spürbar sein, das ist fundamental für die Akzeptanz. Zur Akzeptanz trägt auch bei, wenn Bürger ihre Anliegen an den Rechtsstaat schnell erfüllt sehen“, erläuterte Rock und wiederholte die zahlreichen Baustellen in der hessischen Justiz, von sich hinziehenden Erbscheinverfahren über Bewerbungen, die noch in Papierform eingereicht werden müssen, bis zur digitalen Justiz inklusive Einführung der E-Akte in den hessischen Gerichten, die nach wie vor in Verzug sei. 

Rock erinnerte daran, dass außer den Oppositionsfraktionen im Landtag auch Roman Poseck in seiner Zeit als OLG-Präsident selbst auf Missstände in der Justiz hingewiesen habe und sich auch der Landesrechnungshof eine fundierte Fehleranalyse vorgenommen habe. „Jetzt endlich, nach den knallharten Analysen des Rechnungshofs, werden die Trümmer beseitigt und die Probleme abgearbeitet. „Gestalten ist dieses Abarbeiten aber nicht, uns Freien Demokraten fehlen definitiv die Antworten für die Zukunft, gerichtsfeste Gesetzentwürfe, die unseren Rechtsstaat wieder stärken, und damit unsere Demokratie.“

„Missstände abstellen und Verantwortung übernehmen“ – dazu riefen die Freien Demokraten in der Plenardebatte über den Abschlussbericht zum Untersuchungsausschuss zum Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Dr. Walter Lübcke auf. „Der Ausschuss hat offengelegt, dass die Gefährlichkeit des späteren Lübcke-Mörders Stephan Ernst falsch eingeschätzt wurde und die Sperrung seiner Akte eines der größten Versäumnisse der Sicherheitsbehörden war. Der Ausschuss hat herausgearbeitet, dass es strukturelle Mängel und organisatorische Versäumnisse bei den hessischen Sicherheitsbehörden gab. Daraus Konsequenzen zu ziehen, ist gleichermaßen eine politische wie moralische Verpflichtung“, unterstrich Rock. „Es braucht einen modernen Verfassungsschutz, der rechtsextreme Netzwerke effizient aufklärt, eine koordinierte Zusammenarbeit zwischen dem Landesamt für Verfassungsschutz und der hessischen Polizei, Speicherfristen mit Augenmaß sowie für den Verfassungsschutz eine verbesserte Aus- und Fortbildung und eine bessere parlamentarische Kontrolle.“ Rock zeigte sich betroffen von der mangelnden Bereitschaft der Landesregierung, Mitverantwortung für die Fehleinschätzungen, strukturellen Mängel und fehlerhaften Ausstattung zu übernehmen: „Zeugenaussagen belegen, dass Innenminister dem Verfassungsschutz Mittel abgelehnt haben, die dieser für äußerst dringlich für seine Arbeit gehalten hat. Eine klare Aussage, dass dies ein Fehler war und dass damit die Landesregierung eine Mitverantwortung trifft, fehlt bis zum heutigen Tag. Es ist traurig, dass die zuständigen aktuellen und ehemaligen Landesregierungen, vor allem ihre Innenminister, trotz ihrer Verantwortung für die Situation des Verfassungsschutzes nicht die Kraft gefunden haben, sich öffentlich zu entschuldigen.“

Dabei gehe es aber nicht um Schuld, betonte Rock. Ebenso wenig sei die Frage einfach und sicher zu beantworten, ob der Mord an Walter Lübcke hätte verhindert werden können. „Es gibt keine Beweiskette, dass ein anderes Agieren der politisch Verantwortlichen die Mordtat hätte verhindern können. Die mangelhafte Ausstattung des Ver­fassungsschutzes hat aber das Risiko deutlich vergrößert, dass der Mörder vom Radar des Verfassungsschutzes verschwunden ist. Deshalb gibt es eine politische Verantwortung für die Missstände. Die Weigerung von CDU und Grünen, wie üblich am offiziellen Bericht des Berichterstatters mitzuarbeiten und stattdessen einen von langer Hand vorbereiteten Parallelbericht vorzulegen, unterstreicht diesen Eindruck.“

Angesichts der bevorstehenden Landtagswahl am 8. Oktober 2023 erhalten die Debatten über die Zukunft Hessens eine besondere Bedeutung. Rock stimmte der oppositionellen SPD und deren Kritik an der fehlenden Wirtschaftspolitik von Schwarz-Grün durchaus zu. „Allerdings sind die von der SPD vorgeschlagenen Ansätze auch keine ordentliche Wirtschaftspolitik. Der Antrag sieht noch mehr Bürokratie, mehr Subventionen und weniger unternehmerische Freiheit vor. Das ist genau das Gegenteil dessen, was die hessische Wirtschaft gegenwärtig braucht“, argumentierte Rock.  Stattdessen müsse auf Wachstum gesetzt werden, doch daran scheitere die hessische Landesregierung. „Wir Freien Demokraten fordern CDU und Grüne auf, Hessen mit wirksamen Maßnahmen zum Wirtschaftswachstumsland Nummer eins zu machen Das freie Unternehmertum muss gestärkt werden. Gleichzeitig sollten Hürden wie bürokratische und steuerliche Belastungen umgehend abgebaut werden. Außerdem ist es wichtig, dass die Standortattraktivität gestärkt wird, um die besten Fachkräfte nach Hessen zu holen. Es braucht eine zentrale Behörde, die digital arbeitet und sich ausschließlich mit der Fachkräfteeinwanderung beschäftigt.“ Für eine moderne Zukunft in Hessen sei es außerdem nötig, die Landesverwaltung durch umfassende Digitalisierung ins aktuelle Jahrhundert zu holen. Rock erinnerte die schwarz-grüne Landesregierung erneut daran, dass die Infrastruktur gestärkt werden müsse: „Für ein zukunftssicheres Land und einen Aufwind für die Wirtschaft braucht es eine Infrastrukturoffensive für Straße, Glasfaser, Schiene und 5G in ganz Hessen.“

In ihrer Aktuellen Stunde forderten die Freien Demokraten die schwarz-grüne Landesregierung erneut auf, sich von ihrem romantisierenden Wolfsbild zu verabschieden und den Wolf vor dem Hintergrund weiter steigender Wolfssichtungen und Nutztierrisse in das hessische Jagdrecht aufzunehmen und eine eigene Wolfsverordnung zu erlassen: „Schwarz-Grün muss endlich einen Schlussstrich unter viele Jahre falsche Wolfspolitik ziehen“, bekräftigte Rock. „Die Landesregierung lässt Landbevölkerung und Weidetierhalter weiterhin im Stich. Durch die Aufnahme in das Jagdrecht können Problemwölfe, wenn man sie endlich als solche anerkennt, rechtssicher geschossen werden. Der Wolf unterliegt übrigens schon seit mehr als zehn Jahren in Sachsen und mittlerweile auch in Niedersachsen dem Jagdrecht und auch Schleswig-Holstein plant eine Aufnahme.“ Die Freien Demokraten forderten darüber hinaus eine Professionalisierung der Begutachtung von Proben gerissener Tiere und eine Beweislastumkehr bei Schadenersatzansprüchen zugunsten der Tierhalter. „Bislang gehen die meisten Tierhalter leer aus, weil es heißt, Hund oder Fuchs hätten das Tier gerissen oder eine Artbestimmung sei nicht möglich. Bei einem Fall in Waldeck-Frankenberg, wo sechs Schafe gerissen wurden, kommt das Ergebnis Hund bei der genetischen Analyse raus. Das ist kaum vorstellbar.“  Rock kritisierte insbesondere die CDU, die seit Jahren die romantisierende Wolfsschutzpolitik der Grünen mittrage, die Sorgen der Bürgerinnen und Bürger vor dem Wolf aber nun im Wahlkampf für sich entdeckt habe. „Im Landtag hat die CDU seit Jahren nicht die Kraft, sich in umweltpolitischen Themen durchzusetzen, stellt aber nun in den Kreistagen Resolutionsanträge. Das ist alles andere als glaubwürdig, mit politischer Verantwortung und Vernunft hat das nichts zu tun.“

Mit einem Bündel an Maßnahmen die Bildung voranbringen, um möglichst vielen Menschen einen Aufstieg zu ermöglichen: Das ist das Ziel der Freien Demokraten im Hessischen Landtag, die das Aufstiegsversprechen zu ihrem Schwerpunktthema der Plenarwoche gemacht hatten. „Das Aufstiegsversprechen durch eigene Leistung gehört zu den Grundlagen der sozialen Marktwirtschaft und unserer demokratischen Gesellschaft. Es kommt nicht auf die Herkunft eines Menschen an, sondern wo dieser Mensch hin will, welches Ziel er hat“, betonte Rock. „Drei Stationen sind grundlegend dafür, dass Menschen durch eigene Leistung vorankommen und aufsteigen können: die frühkindliche Bildung, die schulische Bildung als Grundlage für Bildungsabschlüsse sowie die Gleichberechtigung von Männern und Frauen in der Erwerbslaufbahn.“ Konkret forderten die Freien Demokraten mit Blick auf die frühkindliche Bildung den Aufbau eines Instituts für frühkindliche Bildung, eine flächendeckende Ausbildungsvergütung, um mehr Erzieherinnen und Erzieher zu gewinnen, bessere Verdienstmöglichkeiten für höher qualifizierte Kräfte in Kitas sowie mehr MINT- und Sprachförderung. „Auch in Bezug auf die Schulen, vor allem die Grundschulen, ist das Fazit nach zwei Legislaturperioden Schwarz-Grün: Arbeitsbedingungen mangelhaft, Wertschätzung: ungenügend. Die Landesregierung ist zahlreiche Maßnahmen schuldig geblieben, um die Chancengerechtigkeit in Hessen zu verbessern“, sagte Rock. Dazu gehörten außer einer schnelleren Umsetzung von A13 und einer Fachkräfteoffensive vor allem mehr Qualität im Ganztag. „Auch die Stärkung der ökonomischen Bildung verbessert die Chancengerechtigkeit. Wir Freie Demokraten fordern daher mindestens eine wirtschaftsdidaktische Professur in Hessen und wollen die Voraussetzungen dafür schaffen, dass Schulen das Fach Politik und Wirtschaft in zwei Fächer aufteilen können.“ Vorschläge machen die Freien Demokraten darüber hinaus für Schulabbrecher: „Hier sollen beispielsweise vorhandene Programme gestärkt und weitere Programme entwickelt werden, die Jugendliche hin zu einem Schulabschluss und in eine Ausbildung führen“, erläuterte Rock.  

Mit einem dringlichen Antrag appellierten die Freien Demokraten, der frühkindlichen Bildung in Hessen endlich Priorität einzuräumen, statt durch eine Entwertung des Erzieherberufs Qualität und Zuwendung noch weiter zu gefährden. Anlass war die zweite Lesung eines Gesetzentwurfes der schwarz-grünen Regierungsfraktionen, demzufolge der sogenannte Fachkräftekatalog „nach unten“ geöffnet werden soll. Der Gesetzentwurf mache es möglich, dass jede vierte Erzieherin oder jeder vierte Erzieher von einer Nicht-Fachkraft ersetzt werde. Dies gefährde die Bildungschancen und die Zukunft der Kinder in Hessen. „Dem Fachkräftemangel darf nicht durch Absenkung der Standards begegnet werden. Ansonsten besteht die Gefahr, dass sich die Betreuungssituation und die Chancen auf Bildungserfolg von über 250.000 Kindern in Hessen verschlechtern“, mahnte Rock. Rock forderte, den Erzieherberuf zu stärken, um so die Qualität der frühkindlichen Bildung zu sichern: „Für eine hochwertige Betreuung der Kinder ist die Attraktivität des Erzieherberufs wichtig. Eine Entwertung des Erzieherberufs durch die Absenkung der Standards führt möglicherweise dazu, dass Fachkräfte den Beruf verlassen und sich der Fachkräftemangel weiter verschärft. Wir Freie Demokraten fordern daher mit unserem Antrag, dass der Fachkräftekatalog stattdessen auch „nach oben“ geöffnet wird. Die Arbeit in den Kitas muss auch für höher qualifizierte Fachkräfte weiterhin attraktiv sein. Daher sollen Träger, die diese Fachkräfte beschäftigen und entsprechend ihrer Qualifikation vergüten, eine Pauschale als finanziellen Anreiz erhalten. Auch die Weiterbildung von Erzieherinnen und Erziehern soll durch finanzielle Anreize gefördert werden.“

Mehr Informationen und Videos zur Plenarwoche finden Sie unter fdp-fraktion-hessen.de/plenarberichte